Chile – Wo die Morgensonne steinerne Giganten küsst
Ist man erst einmal auf der Osterinsel angekommen, will man von diesem idyllischen Fleckchen Erde so schnell nicht wieder weg. Wohin auch? Blickt man von der schwarzen, aus Vulkanstein geformten Küste der Insel in die Ferne, verliert man sich schnell in dem Gedanken, tatsächlich am Ende der Welt angekommen zu sein. Bis zum östlich gelegenen, chilenischen Festland sind es rund sechs Flugstunden. Die Reise nach Tahiti im Westen dauert fünf Stunden. Dazwischen ist nichts außer den endlosen Weiten des Südpazifiks und der Insel Pitcairn – einem Steinhaufen, auf welchem die Nachkommen der Meuterer der Bounty bis heute in einfachen Verhältnissen leben.
Nein, man will auch gar nicht wieder weg, hat Rapa Nui doch so einiges zu bieten und besticht durch eine interessante Mischung aus polynesischer Südseeromantik, einer einzigartigen Naturlandschaft und der besonderen Mystik, welche sich in der wohl größten Attraktion der Insel begründet: den sagenumwobenen Moai.
Rund 890 dieser riesigen Steinstatuen sind bis heute über die gesamte Insel verteilt anzutreffen. Die Ursprünge dieser Megalithkultur sowie Fragen des Transports und der Errichtung der Figuren sind bis heute umstritten. Umso beeindruckender ist eine Wanderung durch die Geburtsstätte der Moai am Fuße des Vulkans Ranu Raraku oder zur Stelle Puna Pau, an welcher die roten Haarknoten – genannt Pukao – mit Faustkeilen herausgearbeitet wurden. Vor allem wie die tonnenschweren Figuren teils dutzende Kilometer über die hügelige Insel transportiert wurden, bleibt wohl auf ewig ein Geheimnis.
Ein besonderer Moment und ein „Muss“ für jede Reise auf die Osterinsel ist ein Besuch des Ahu Tongariki zum Sonnenaufgang. An der größten Zeremonienstätte im Osten der Insel kann man die Baukunst der frühen Rapa Nui in ihrer ganzen Schönheit bewundern. Der Moment, in dem sich die ersten Strahlen der Morgensonne zwischen die fünfzehn Steinköpfe schieben, ist einfach unbeschreiblich.
Doch auch abseits der Moai hat die Osterinsel einiges zu bieten: Nur eine kurze Wanderung von der Inselhauptstadt Hanga Roa entfernt, befindet sich der grün bewachsene, runde Krater des Kanu Kau Vulkans mit der Kultstelle Orongo. Im Norden der Insel lädt der weiße Strand von Anakena zu einem erfrischenden Bad in den kraftvollen Wellen des Pazifischen Ozeans ein. Und in Hanga Roa selbst kann man an jeder Ecke etwas Neues entdecken oder sich einfach nur kulinarisch verwöhnen lassen. Unbedingt sollte man auch seine Schnorchelausrüstung mitnehmen, denn der kleine Stadtstrand wird regelmäßig von majestätischen Meeresschildkröten besucht.
Die Osterinsel ist ein Ort, der einen vereinnahmt. Die Abgeschiedenheit der Insel, die allgegenwärtigen Moai und vor allem auch die Herzlichkeit der Rapa Nui sind mir in ständiger Erinnerung geblieben. Und die Sehnsucht nach diesem einsamen Eiland im Pazifik ist nach meinem Besuch nicht kleiner geworden. Eher ertappe ich mich selbst immer wieder auf der Suche nach Reiseangeboten.
Autor: Michél Pretzsch